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Von der Figuranalyse bis zu fertigen Hose

  • Guten Tag liebe Forenmitglieder,


    den Aktiven hier wird vermutlich auffallen, dass ich neu bin. Dennoch dachte ich mir, ich gehe gleich mal in die Vollen und suche den offenen Austausch, in der Hoffnung ein paar andere haben Lust sich mal wieder mit dem Thema Hose zu befassen. Ich schicke kurz etwas zu mir vorweg (wer mag überspringt hier alles in []) und schließlich skizziere ich, was ich vorhabe.

    [Ich bin Geisteswissenschaftlerin, arbeite also nicht ansatzweise im betreffenden Metier und beschäftige mich seit einer Weile mit der Schneiderei. Nach längerer Pause fange ich aber gleichsam wieder von vorn an, zumal ich meine alten Ergebnisse für ungenügend halte. Nach Schnittvorlagen nähe ich nicht gern. Ganz grundsätzlich orientiere ich mich in der Verarbeitung meiner Kleidung an der Herrenschneiderei, sofern es mir sinnvoll erscheint. Kunstfaser gehe ich im großen Bogen aus dem Weg (inkl. Elastizität bringenden Anteilen; Ausnahme mag Kunstfaserfutter aus Kostengründen sein). Über meine wenigen praktischen Versuche hinaus, habe ich nur viel in verschiedenen Foren gelesen und diverse Literatur gewälzt.]


    Nun zum Schulterblick: Wie schon angekündigt will ich, ambitioniert wie ich bin, am Ende bei einer guten Standarthosenschnitt rauskommen. Die fertige Hose aus richtigem Stoff soll dann in der Taille sitzen (das bevorzuge ich grundsätzlich) und mit weiterem Bein sein. Da ich aber auch gut was lernen will, will ich nicht einfach wieder anfangen "blind" anhand miener Maße zu konstruieren, sondern vorab Haltungsbesonderheiten festhalten, evtl. Zusatzmaße eruieren und mögliche Änderungen im Hinterkopf behalten.


    Am allerliebsten wäre es mir aber, wenn ich nicht allein bliebe, sondern daraus eine Art ARBEITSGRUPPE wird. Also bitte: Wer Lust auf Hose machen hat, schließt sich an! :) Der Übersichtlichkeit halber (sozusagen als Beitrag 1) folgen im nächsten Beitrag Fotos, einige Maße von mir und meine Gedanken (und Verwirrungen) zu Figur und zur Balancefrage. Ich fänd es großartig, wenn sich gerade hier noch andere anschließen würden, die parallel auch an einer Hose arbeiten, damit man in einem Thread mal verschiedene "echte" Figuren und deren Besonderheiten im Vergleich zueinander sehen kann. Bodyshaming ist natürlich Tabu :cursing:, hier geht es nicht um die ohnehin sehr subjektive ästhetische Bewertung (zumindest nicht des Kürpers), sondern um sachliche Analyse - Probleme damit habe ich hier aber ohnehin noch nicht zur Kenntnis genommen :thumbup:. Die eigene Figur aus Diatanz zu sehen ist schwer bis unmöglich, daher scheint mir das sehr sehr wertvoll!



    Herzliche Grüße an all die Forenmitglieder

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  • Und hier folgt auch schon der erste "richtige" Beitrag (Achtung viel Text!)
    Als erstes will ich einmal kommunizieren, auf welche Literatur ich Zugriff habe, denn ich habe mich noch nicht entschieden, wonach ich konstruieren will.

    • Da wären die üblichen Verdächtigen: Hofenbitzer und Müller und Sohn,
    • Aldrich: Metric Pattern Cutting for Womens' Wear sowie
    • Whife: Designing and Cutting Ladies' Garments
    • (Und zum Fitting: Whitworth Green: The Art of Fitting Ladies' Garments sowie die entsprechenden Kapiel in Cabrera/Meyers: Classic Tailoring Techniques [für Frauen versteht sich])

    Nun zu meinen Maßen (jene, die für die Hosen(balance) relevant sind):

    Körperhöhe: 164;

    Taillenumfang: 68;

    Hüftumfang: 92 (gemessen an der breitesten Stelle der Hüfte von vorne betrachtet!, evtl. nehme ich noch ein Maß von der Seite betrachtet sowie die Höhendiffernz der beiden Maße, um die Abnäherposition und den Verlauf der Hüftkurve besser einschätzen zu können);

    Seitliche Taillenhöhe: r 103,5/ l103

    Vordere TaH: 102,5; Hintere TaH: 101,5


    Und dann noch Bilder (Standbilder aus Videos in der Hoffnung sie sind natürlicher in der Haltung). Ich habe zwar kein Lot neben mir, aber vor dem Zuschnitt hatte ich Raumfluchtlinien auf dem Bild, die ich genutzt habe, um die Bilder auszurichten und die Linien einzuzeichnen. Sie düften also recht gut passen.


    links Balance.jpgrechts Balance unten.jpgrechts diagonalen.jpghinten.jpglinks diagonalen.jpgvorne.jpg


    Nun zu den von mir registrierten Auffälligkeiten (bin ich froh, dass ich obenrum erstmal nicht so sehr beachten muss...):

    1. Von der Seite: Ich bin sehr "wellig", wie ich da so stehe: Schultern, Bauch, Po und Oberschenkel treten also recht deutlich hervor und der Rücken macht eine deutliche Kurve nach innen. Ebenso steht die Wade deutlich vor dem hinteren Oberschenkel hervor (fragt sich nun, ob es an einem Haltungsproblem liegt oder an vermutlich recht ausgeprägter Muskulatur von viel Sport)
    2. Das Taillienband (Gummi) kippt einerseits von der Seite betrachtet (eine mehr als die andere) nach hinten ab (bzw. rutscht vorne hoch) und im Rücken macht es eine Kurve nach unten. Das passt zu den abgenommenen Balancemaßen, obwohl die Differenz da sehr gering ist zwischen vorne und hinten (1cm). Optisch wirkt es deutlich mehr.
    3. Zwischen Bauch und Oberschenkeln gibt es in Richtung Schritt einen deutlichen "Knick". (Ich würde sagen das deutet zusammen mit 1. auf ein gekipptes Becken hin)
    4. Der Maßnehmende sagt, meine Hüfte ist von vorn betrachtet auf meiner linken Seite etwas aufgeprägter (das könnten die 0,5 cm Differenz bei der Messung sein, aber mir scheint das sehr gering)

    Nun zu den Verwirrungen:

    Vorweg kann ich sagen, dass mich der Hofenbitzer verrückt macht. Ich will nicht zu ausführlich werden, weil ich keine Rechte verletzen will. Daher halte ich es mal weniger auf Hofenbitzer bezogen und mehr mit dem eigenen Verstand und dem angelesenen Wissen gedacht.

    1. Hätte ich ein gekipptes Becken, ginge damit meiner Ansicht nach fast schon zwangsläufig ein Hohlkreuz einher, weil die Physik sagt, dass ich sonst nach vorne umkippe, wenn ich nicht ausgleiche, indem ich mich nach hinten lehne. Daher könnten auch die weit hinten stehenden Schultern rühren (Überkompensation). Im Schnitt hätte das zur Folge, dass ich vorne mehr länge brauche als hinten. Im Idealfall würde ich dann vorn und hinten anpassen?
    2. Wäre mein Becken nun in die andere Richtung gekippt, also eher nach vorn gedrückt, hätte ich wohl einen flachen Hintern und stark hervorstehende Hüftknochen, was das Gegenteil von meinem "Knick" vorne und dem prominenten Po ist. Jedoch erklärte sich so auch die Taillienneigung und vllt. täuscht die Optik hier, weil ich sozusagen an allen fraglichen Stellen ein Plus an Muskeln habe und zugleich wenig Fülle insgesamt, was zu diesem Bild führt.
    3. Warum kippt das Taillenband so deutlich und die Maße weichen nur so gering ab? Gleicht hier ein domianterer Po die kurze Rückseite aus? Den Maßen folgend könnte man die Abweichung wohl ignorieren, aber ich kann sagen, dass die Balance bei allen meinen vorigen Versuchen mit Röcken (Saum kippt an die Wade) und Hosen großes Problem war.
    4. Wie verteilt man auf so einen "kummen" Körper die Abnäher? Ich denke immer ich habe eher schmale Hüften und viel Po bei flachem Bauch (aber das ist wohl die subjektive Fehleinschätzung fürchte ich, wenn ich mir den Bauch so ansehe).

    So genug Text. Ich lasse das mal hier und grüble über diese Dinge weiter nach. Alle Hinweise nehme ich gern auf und wie gesagt: :!: Ich mach den Anfang aber ich hoffe auf Nachahmer und Mitmacher, mit denen ich (auch wenn ich offenkundig Anfänger bin) nach dem Prinzip gegenseitiges Feedback gemeinsam arbeite.


    Ich Grüße in freudiger Erwartung weiterer Mitstreiterinnen und Mitstreiter

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  • Deine Überlegungen und Bestrebungen finde ich sehr interessant und gut, fürchte aber, dass ich da nicht mithalten kann, technisch und zeitlich gesehen. Das Thema an sich interessiert mich aber sehr. Mir fehlt eine reale Mitstreiterin vor Ort zum Fotos machen, abstecken, begutachten und ähnlichem.

    Das Buch "Pants for any Body" würde ich gerne mit einer anderen "Wunschhosennäherin" ausprobieren, aber virtuell frisst mir das zu viel Zeit und Kraft, weil ich technisch nicht so bewandert und flink bin. Konkret wird in dem Buch u. a. die Fit-As-You-Sew Methode vorgestellt, leider alles auf englisch, was nicht immer eindeutig für mich zu verstehen ist.

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  • Hmm... Also von dem Buch habe ich schon mehrfach gelesen und fände es sehr interessant mal zu sehen, wie das so läuft. Ich vermute mal "Fit-As-You-Sew" heißt, dass man ums Abstecken am Körper gleich zu beginn kaum rumkommt oder? In diesen Zeiten ist das natürlich auch immer noch zusätzlich schwierig.

    Zeitlich hat natürlich jeder sein Tempo, das muss ja gar nicht parallel laufen, schließlich hat immer mal einer mehr und dann mal wieder weniger Zeit. Und was das Englisch angeht, bin ich mir sicher, dass ich bei Fragen aushelfen könnte. Einerseits habe ich viel auf englisch gelesen und hab ja auch ein paar Bücher hier, die ich konsultieren könnte und anderseits gehört die Übersetzung von schwierigen Begriffen und Schverhalten quasi zu meinem Berufsalltag (wenn auch anderer Kontext).
    Kurz: Wo ich kann, wäre ich sehr gerne behilflich, aber das ist natürlich immer nur virtuell. Ich würde mich über Dich als weitere Mitstreiterin jedenfalls freuen. Aber ich verstehe, wenn das zeitliche Commitment gerade nicht möglich ist!

  • Wie sieht Deine Figur im Hüft-Querschnitt aus ? Im Hoffenbitzer 2, 1.Auflage, Seite 53, sind die drei Grundtypen abgebildet: Normalfigur, breite Hüfte mit flachem Gesäß und geringer Hüfttiefe, starkes Gesäß und flache Hüfte und große Hüfttiefe. Nach Deinen Bildern gehörst Du für mich zur Gruppe 2.


    Deshalb, welchen Hofenbitzer hast Du, 1 oder 2 ? Band 2 wirst Du mit Deiner Figur auf jeden Fall brauchen.


    Nanne nennt die Bauchtiefe=Hüfttiefe im Fachjargon, ja die ist genauso wichtig wie der Vorsprung Deiner Oberschenkel.


    Du hast Dich schon für den richtigen Hosentyp entschieden, gerade mit weitem Bein, das ist auch die einzige Form mit welcher eine vernüftige Paßform möglich sein wird, siehe System Müller&Sohn, Paßformfehler.

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  • Ok, das finde ich interessant. Danke! Ich konnte die Frage immer nicht gut für mich beantworten, hätte aber eher auf flachere Hüfte und mehr Gesäß oder normal getippt. Aber ich irre mich da vllt. völlig. Auf Taillienebene bin ich glaube ich recht gleichmäßig verteilt. Ich denke noch darüber nach, ob ausgeprägte Rückenmuskulatur die Taille absinken lassen kann, die hab ich nämlich.

    Hofenbitzer hab ich beide Bd. Ich bin also gewappnet :thumbup:

    Vernutlich finde ich nicht umsonst Hosen mit weiterem Bein an mir am ästhetischsten. Das trifft sich also gut!

    Mir hat das Gedankensortieren hier auch schon ein wenig geholfen. Ich will mit dem deutschen System arbeiten und rechne mal mit steilem Gesäßwinkel dachte ich mir. Weniger wegen der Länge als wegen der Schrägstellung, aber vllt. sollte ich das nun doch nochmal überdenken. Außerdem will ich die vordere Taillenhöhe zur Konstruktion heranziehen, um dann vermutlich hinten abzusenken, weil.ich a) dort die Hose tragen werde und ich b) oft Probleme mit zwickendem Schritt in Kaufhosen habe und hoffe das wirkt dem entgegen (?!) Plus: Ich ahne nach vorn brauche ich Zusatzplatz und dann wohl auch verlegte Seitennähte. Aber noch ist das ja Zukunftsmusik.

    Hach, spannend, ich bin ganz aufgeregt!

  • Das Buch "Pants for any Body" würde ich gerne mit einer anderen "Wunschhosennäherin" ausprobieren, aber virtuell frisst mir das zu viel Zeit und Kraft, weil ich technisch nicht so bewandert und flink bin. Konkret wird in dem Buch u. a. die Fit-As-You-Sew Methode vorgestellt, leider alles auf englisch, was nicht immer eindeutig für mich zu verstehen ist.

    Ja cool oder, benutze ich auch und der Einband ist so voll 1976! Ich würde mir auch wünschen da jemanden zur Hilfe zu haben, alleine weil man sich den rückwertigen Teil der Hose einfach nicht richtig erarbeiten kann. Dennoch habe ich hier viel Hilfe erfahren und bei mir gibt es wirklich Dellen und Beulen (nicht zu reden von meinem Bauch) grins!

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    • Offizieller Beitrag

    sehr interessantes Thema!

    Das Buch "Pants for any Body" würde ich gerne mit einer anderen "Wunschhosennäherin" ausprobieren, aber virtuell frisst mir das zu viel Zeit und Kraft, weil ich technisch nicht so bewandert und flink bin.

    Ich hatte bei der 20er-Jahre Fishtail-Hose für meinen Mann nach dem Buch gearbeitet.

    Dort wird pauschal an allen relevanten Teilen erst einmal 1 Inch zugegeben um Spielraum für die Anpassungen zu haben.

    Es war beim Nähen etwas "anstrengend" immer an den Extra-Inch zu denken. Aber ich konnte danach sehr leicht auslassen oder anstecken.

    Die Ergebnisse waren für den ersten Versuch sehr vielversprechend.


    An mir selbst habe ich es noch nicht getraut, da nur mein Mann gucken und abstecken könnte (ich habe Angst durch Bewegung / Gucken ein verfälschtes Ergebnis zu bekommen :o )


    Wenn etwas mehr Zeit und Ruhe wäre, wäre ich gerne bereit dort mehr Arbeit zu investieren.

  • So, ich dachte mir, ich gebe mal ein kurzes Update zum aktuellen Arbeitsstand bevor ich die Probehose fertige. Sozusagen Episode 2 des Schulterblickes.


    Nachdem ich über die Osterfeiertage zwar nicht konstruieren aber denken und lesen konnte, habe ich einige Ergebnisse gesetzt, an die ich mich bei der Konstruktion gehalten habe. Dazu gehört in erster Linie die Interpretation meiner Figur oder besser gesagt Haltung.


    Wie aus meinen vorigen Beiträgen zu lesen ist, war ich verunsichert in dieser Sache. Im Kern weil ich mir schwer tat, mir eine sogenannte "Mannequinhaltung" zuzuschreiben, da ich mein Gesäß nie als eingezogen oder flach wahrgenommen habe und ich auch den vorgeschobenen Leib nicht so recht gesehen habe. Stattdessen habe ich immer gedacht, ich hätte ein in die andere Richtung gekipptes Becken vom vielen Sitzen und der Schreibtischarbeit. Daher der "Knick" vorne am Körper im Profil. Dazu passt aber das Taillenband nicht und auch die Balancemaße bestätigen dies nicht.


    Sticheltante (Danke dafür!) hat mich dazu veranlasst nocheinmal darüber nachzudenken. Und wie der Zufall so will, kam der für mich überzeugende Hinweis dann aus einem ganz anderen Kontext. Ich habe in Anatomy for Runners (Jay Dicharry) gelesen, das mir derzeit helfen soll meine Baustellen in der Laufhaltung zu identifizieren und zu beheben. Er attestiert vielen Frauen eine Haltung, die er unschönerweise F.A.T.S. (Female Adolescent Texting Syndrom) nennt. Als Merkmale werden durchgestreckte Knie, vorgeschobenes Becken, gerundete und eingefallene Schultern, die dann um aufrechter zu stehen nach hinten genommen werden gelistet. Veranschaulicht durch ein Bild einer recht muskulösen Frau. Und siehe da: Von einem flachen Gesäß ist hier nichts zu sehen auch der Knick ist wiederzuerkennen wegen der Oberschenkelmuskulatur. Wie bei der "Mannequinhaltung" fällt hier die Taillenlinie von vorne nach hinten, denkt man sie sich hinzu.


    Damit konnte ich mich eher identifizieren. Der Sache nach widerspricht das Hofenbitzer und Müller & Sohn in der Beschreibung, jedoch nur ein wenig, wobei Dicharry als Sportwissenschaftler und Anatom in Sachen Anatomie vllt. doch die bessere Anlaufstelle ist und letztlich geht es ja nur abstrakt gesehen um die vorzunehmenden Änderungen im dreidimensionalen Raum. Was sich darüber hinaus wiederfindet und in den Schnittbüchern wenig bis gar nicht thematisiert wird, aber deutlich zu sehen ist, ist die nach hinten gekippte Schulterpartie und die schiefe Beinachse, die dadurch entsteht (insgesamt wie ein D in flacher minus mein "Knick").


    Die Frage wie mein Gesäß in Relation zur Hüfte geformt ist, konnte ich für mich auch beantworten. Hierzu habe ich eine etwas ungenaue Messung vorgenommen a) meiner Schritttiefe (an die Wand gestellt, ein festes Linieal unter den Schritt gesteckt und mit einem weiteren von oben nach unten im rechten Winkel zum anderen Lineal angelegt und das Maß dann abgelesen) b) meiner Hüftbreite (an die Wand gestellt zwei Holzlineale/Dreiecke links und rechts an meine Hüfte möglichst gerade gelegt und die Distanz dazwischen gemessen). Das habe ich dann im Maßstab 1:10 aufgezeichnet als Rechteck und mit Kurven zu einer Art Ellipse geschlossen. Mir ist klar, dass das völlig ungenau ist, aber für einen optischen Eindruck reicht es, meine ich.


    Gesäßproportion.jpg


    Das Ergebnis: Normal nach Hofenbitzer, also wie vermutet nicht flach aber auch nicht ausgeprägt (erstaunlicherweise sind die Maße sogar deckungsgleich,aber wer weiß, ob das nicht einfach aus dem Handgelenk ohne Refernzmaße entstand). Ob das in der "Fehlhaltung" auch so ist, zeigt sich dann am Schnitt.


    Nun die Konstruktion:

    Aufgrund der verschiedenen Maße in der seitlichen Taillenhöhe (103 und 103,5) hatte ich die Qual der Wahl. Ich habe mich dazu entschlossen, die 103 zu nehmen, weil das dazu führt, dass ich meine Beobachtungen durch die Maße bestätigen kann. Die vordere Taillenhöhe von 102,5 ist dann etwa 0,5 cm zu hoch und die hintere von 101,5 etwa 0,5cm zu tief. Ja, laut Hofenbitzer könnte ich auch sagen alles ist ok, aber dann komm ich meiner tatsächlichen Figur nicht näher mit dem Schnitt. Die Alternative wäre gewesen, mit 103,5 zu rechnen und die vordere Taillenhöhe als normal zu betrachten und von einer Taillensenkung hinten von 1cm auszugehen.


    Zu guter Letzt habe ich Bilder von einem Rockentwurf ausgegraben, an dem ich mein neu gewonnenes Wissen nochmal gegengeprüft habe:


    Rock zugeschnitten.jpg


    dort kann man schön sehen, dass die Seitennaht kippt (das wusste ich noch) aber auch, dass nicht nur das Hinterteil zu viel länge hat, sondern auch das Vorderteil zu wenig. Zumindest seh ich das so trotz fehlender Konstruktionslinien... Und ich weiß auch noch, dass die von mir vorgenommene Taillensenkung am Rock nicht die Lösung brachte.


    Dann habe ich endlich konstruiert und zwar mit Hofenbitzer und daneben Müller & Sohn und habe beständig vergleichen, worin sich beide unterscheiden. Es sind marginale Unterschiede: z.B. der Weg über den man zu einer bestimmten Strecke kommt und manchmal gibt Müller & Sohn andere Rahmen für selbst zu wählende Werte. Man kann aber mit beiden zu den selben Ergebnissen kommen, wenngleich ich vermutlich leicht anders gewählt hätte, hätte ich nur mit Müller & Sohn konstruiert. Was mir bei Hofenbitzer ein Rästel bleiben wird: lässt sich der Gesäßwinkel vllt. sogar messen wie hat er die von ihm angegebenen Winkel hergeleitet? (Auf meinen Bildern komme ich auf Werte, wie sie nur für ein sehr starkes Gesäß realistisch wären und bei Hofenbitzer nicht abgedeckt sind, also habe ich das erstmal ignoriert und bin stur davon ausgegangen "normal" zu sein)


    Nach der eigentlichen Konstruktion habe ich noch die geplanten Änderungen vorgenommen (siehe die Einschnitte und Schiebungen unter den Abnähern in Vorder- und Hinterhose mit anschließendem Anpassen der Abnäher). Der Abgleich mit der von mir grob abgenommenen Schritttiefe kommt etwa hin, evtl. ist der Schritt etwas knapp. Was das Gesamtvolumen angeht bin ich eher zuversichtlich, weil ich als "Zylinder" den selben Umfang habe, wie an der breitesten Stelle meiner Hüfte; aber vllt. brauche ich nach vorn mehr Platz für Bauch und Oberschenkel.


    Hier das Ergebnis:

    Schnitt 2.jpgSchnitt 1.jpg

    Schnittbilder3 verkleinert.jpgSchnittbilder2 verkleinert.jpg


    Achja und alles was ich festgelegt habe und warum ist so gewählt habe, habe ich in meinem Maßsatz in Excel festgehalten. Ganz ohne Anleitung habe ich in der Konstruktion außerdem den Schritt um 0,5cm tiefer gesetzt (beim letzten Versuch kniff alles im Schritt) und das Knie 0,6cm höher angesetzt (meine Knie sitzen propotional betrachtet ebenso wie meine Taille wohl 1cm zu hoch).


    Nächste Episode dann die Probehose! Bei Fragen jederzeit nachfragen, Kritik ist immer willkommen und wenn eine*r schlicht unsinnsig findet, was ich da treibe, nur raus damit! :/


    Achja: Und Mitstreiter*innen würden mich auch noch immer freuen!


    Herzliche Grüße ins Forum

    vor allem an alle Mitlerser*innen!

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  • Du hast Dir ja ein Thema ausgesucht! Was Du im Auge behalten solltest, sind die Waden und die Oberschenkel, aber wahrscheinlich wird das bei den weiten Hosenbeine nicht weiter stören. (Wenn ich mir vorstelle der Rock (als Ersatz für die Hose) wird hinten etwas hochgenommen, könnte es sein, dass es über den Oberschenkeln etwas spannen könnte. Aber das werden wir sehen)

    Ich freue mich auf die Fortsetzung.

    lg

    posaune

  • Liebe techne,


    ich freue mich soo riesig, dass du das Hosen-Dings wieder aufgegriffen hast. Und ich verfolge mit Spannung deine Überlegungen und Schritte. Und ich hoffe sehr sehr sehr, dass du dich nicht entmutigen lässt, weil das Feedback vielleicht (zunächst) etwas gering erscheint. Das ist kein Desinteresse, sondern eher dem geschuldet – meiner Einschätzung nach –, dass eben die meisten gefühlt außerdem noch viel zu viele andere offene Baustellen haben …


    Was du gestern mittag ge- und beschrieben hast, klingt sehr schlüssig. Es „löst“ die Unstimmigkeit auf, die ich beim Betrachten deiner Haltungsbilder zunächst empfunden habe. – Da war so ein „irgendwas-stimmt-hier-nicht“-Gefühl, das ich aber auf die Schnelle nicht aufgelöst gekriegt habe.


    Herzliche Grüße

    – und herzlich willkommen im Forum natürlich!

    Schnägge

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  • Posaune Danke schon mal für den Hinweis. Ist vermerkt!


    Schnägge Vielen Dank für die motivierenden Worte. Ich bin in der Tat ab und an etwas verunsichert, weil mein Stil vllt. nicht ganz so forentauglich ist. Aber da ich mir dachte, ich würde mich freuen, wenn ich so ausführliche Überlegungen fände, habe ich beschlossen erstmal dabei zu bleiben. Schön auch zu lesen, dass nicht nur ich Fragezeichen im Kopf hatte und so einen "irgendwas stimmt hier nicht" Eindruck.


    Nachdem ich im Kampf gegen meinem Probestoff gestern erfolgreich gesiegt habe (er heftet sich wie Papier beim Durchschlagen...) wird nur noch zusammengenäht und dann ist es so weit!

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  • Liebe Teche,

    das ist ein spannendes Thema und ich verfolge sehr interessiert dein Vorgehen.
    Bei mir stehen auch Hosen auf meiner Liste und habe den Anspruch, daß sie besser passen sollen, als von der Stange gekaufte. Das Buch "Pants for any body" liegt bei mir griffbereit und immer wieder lese ich einzelne Kapitel darin. Hoffenbitzer und Co habe ich mir nicht angeschafft, weil ich nicht so akademisch an die ganze Sache herangehen will (bin auch Geisteswissenschaftlerin :*) sondern mehr von der praktischen Seite her. Doch deine Fotos, die du ganz oben eingestellt hast, sind so interessant, daß ich versuchen werde, auch mal solche von mir anzufertigen. Zeit habe ich für mein Hobby Nähen nicht so viel, doch ich werde immer wieder schauen, wie du mit deinem Hosenschnitt vorankommst. Bitte berichte weiter :love:

  • Here we go. Hosen die Dritte!

    Mir kamen noch ein paar Sachen dazwischen und Bilder wollen ja auch erst einmal gemacht werden, bevorzugt bei Licht (ich hoffe man kann die Konstruktionslinien gut genug sehen, wenn man auf die bilder klickt). Ich füge einfach mal alles an und schreib dann jeweils dazu, was mir so auffiel. Tipps immer gerne!


    Ich fang mal damit an, dass ich eigentlich finde, dass sie schon überraschend gut ist, zumindest habe ich mich sehr gefreut! Aber was weiß ich von gutem Hosensitz schon. Als Randinformation: Zusätzliche Bewegungsweite ist nicht reinkonstruiert.


    1 vorne.jpg


    Von vorne betrachtet würde ich sagen, alle Konstruktionslinien sind, wo sie sein sollten, aber die Hüftkurve passt noch nicht ganz. Vor allem aber gefällt mir die Schrittkurve noch nicht; die ist mir "zu eckig". Ob der Schritt zu tief ist, weiß ich nicht recht, aber beim Sitzen scheine ich das zu brauchen. Es sieht auch aus, als würde ich am Bauch mehr Platz brauchen (es fühlt sich aber eigentlich gar nicht so an). Und: Der Abnäher sitzt ganz komisch, erklärt das den Bauchsitz? Der läuft dort hin, wo bei mir eine Kuhle ist. Ich frage mich nun, wo er eigentlich korrekt sitzen würde. Es gibt da meine ich zwei Punkte die sich anböten, ich tendiere zu der längeren aber weit mittig sitzenden Variante) hier ein Bild:


    Abnäher vorne.jpg


    Ich habe auch das Gefühl, dass die Hose am Bund enger sein könnte, direkt unter dem Bund aber vllt. etwas Mehrweite brauchen könnte (Änderungsvorschläge?)


    Von hinten:


    2 hinten.jpg


    Irgendwie ist meine rechte Gesäßhälfte ein wenig größer. Es fühlt sich zumindest an, als würde die hintere Mitte ganz leicht nach rechts gezogen, vllt. kann ich das aber vernachlässigen. Außerdem hab ich nur links noch diese Falte über dem Po (ob das der halbe cm Differenz in der seitlichen Taillenhöhe ist, die sich dort zeigt?). Dann könnte hinten an den Beinen das Stoffvolumen noch weniger sein und am Po evtl. ein wenig mehr. Die Konstruktionslinien sehen vertikal gut aus, horizontal weiß ich nicht so recht. Ganz leicht geht die Hüftlinien mittig nach oben. Der Schritt sieht aber schon ganz gut aus, was meint Ihr?

    Was die Abnäher angeht: Ich spiele mit dem Gedanken doch zwei zu machen. Ich hab versucht hinter dem Rücken zu ertasten wo mein Po sie will:


    Abnäher hinten.jpg


    Und noch die Seiten:

    4 links.jpg     3 rechts.jpg


    Hier sieht man deutlich die nicht optimale Hüftkurve. Die Seitennaht folgt noch leicht der Silhouette, ansonsten scheint die Balance zu passen (?!) und vor allem sind da diese Schrägzüge (!). Die scheinen mir von der Hüfte zu den Waden zu gehen. Auf den Waden liegt die Hose auf, aber nur ganz leicht. Von der Seite sieht es außerdem aus, als würde die Hüftlinie doch etwas mehr nach oben ziehen, woran das liegt, kann ich mir gerade noch nicht erklären.


    Jetzt noch insgesamt eine Einschätzung und ein paar zusätzliche Bilder, die diese stützen.

    6 Standbild Oberschenkel 2.jpg     7 Standbild Oberschenkel.jpg     5 Schritt in Bewegung.jpg

    Ich brauche mehr weite an den Oberschenkeln (und vllt. auch an der Hüfte, weil ich den "Knick" von der Seite her gern ganz raus hätte), wenn ich mich setzen können will, ohne Sorge zu haben, dass die Hose reißt oder sie arg nach oben ziehen zu müssen, am Bein, während ich mich setze. Nur wo ich die korrekt reingebe, muss ich nochmal tüfteln.

    Darüber hinaus soll die Schrittnaht vorne etwas steiler werden, was ich schwer in die richtige Änderung umzudenken finde, aber das lässt sich bestimmt finden (Achtung: erhöhtes Erfordernis in Sachen dreidimensionales Vorstellungsvermögen :S)


    Unentschlossen bin ich, was ich mit den Waden mache, weil ich nicht recht weiß, was ich über Dressur regeln kann und sich beim weiteren Bein das Problem eh erledigen wird. Außerdem muss ich mir noch überlegen, wie ich die Abnäher verlege oder vllt. gar neu verteile (z.B. weniger Hüftabstich und dafür vorne größere Abnäher und wo hin mit den vorderen Abnähern, hintere so lassen oder doch auf zwei verteilen).

    Die wichtigste Baustelle scheint mir die fehlende Weite und die Schrittkurve zu sein. Vllt. kann ich ja auch beides zusammen ändern oder sagt Eure Erfahrung, ich sollte lieber ganz klein klein eins nach dem anderen machen und wenn ja, womit fange ich an?


    So oder so begebe ich mich nun mit passender Lektüre und den Bildern in einen gemütlichen Abend und tüftle etwas daran, die angezeigten Änderungen zu identifizieren. Masterziel wäre: Fertiger Standarthosenschnitt bis So/Mo, denn dann ist mein Urlaub rum X/


    Schöne Grüße aus der Konstruktionswerkstatt!

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  • Hast Du daran gedacht, daß es Paßformfehler gibt, die im Schnitt schwer erfaßbar sind ? Ein solcher ist die Poabsenkung, denn mit 30+ beginnt der Po sich zu senken, Deine Hinteransicht sieht für mich danach aus.


    Dein Wadenproblem: Müller&Sohn schlägt dazu vor, im Hinterteil in Wadenhöhe rechts und links ca. 1 cm bogenartig zuzugeben, wobei der Bogen beim Nähen der Beine eingehalten und mit dem Bügeleisen 'dressiert' wird. Man könnte allerdings auch die Hosenbeine gering weiter machen (bei meiner 'Marlene', ist sehr viel weiter, fällt das gar nicht auf).


    Für Deine wichtigste Baustelle schlage ich Dir vor, folgendes Video zu betrachten:

    https://iconicpatterns.com/learn-how-to-fit/

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  • Sticheltante leider funktioniert bei mir der Link auch nicht. Ich fürchte die Seite gibt es nicht mehr.

    Was die abgesenkter Po-These angeht, glaube ich nicht recht, dass das das Problem ist. Die 30+ hab ich nämlich einerseits nicht erreicht und ohne Hose sieht es da noch ganz gut aus, glaub ich ;-). Vllt. täuschen da auch die Bilder etwas und die verkorkste Haltung.

    Das mit den Waden hatte ich mir auch schon so rausgesucht, aber das spare ich mir, wenn, für später auf.


    Kurze Info noch dazu, was ich mir überegt habe:

    Ich werde erstmal an die Vorderhose gehen, obwohl sie eig ganz gut aussieht, weil ich glaube, dass dort die Ursache der Schrägzüge liegt.

    Da ich offenkundig mehr Weite brauche und zwar nicht erst ab dem Schritt, werde ich über den vorderen Bruch (vllt. 1cm etwa) aufschieben und darüber hinaus die Abnäher in der Postion korrigieren oder gar erstmal offenlassen und mal sehen, wo sie hin wollen. Die seichte Schrittkorrektur (etwas flacher werde ich gleich mit machen, weil ich denke, dass die Änderung nur ganz klein ist. Vllt. mache ich auch die Hüftkurve schon ein wenig flacher. Umverteilen will ich die Abnäher wenn aber in einem gesonderte Schritt und die Hinterhose bleibt erstmal so, weil ich vermute, es wäre nicht klug die zugegebenen Weite hinten wieder rauszunehmen, und zwar wegen der Waden. Außerdem: Eins nach dem anderen!

    Was ich auch erstmal nicht machen werde ist die Vorderehose weiter anzuheben oder die Hinterhose zu senken. Auch das könnte noch von Nöten sein.


    Nun hoffe ich nur, ich vertue mich mit meinen Mutmaßungen nicht völlig.

  • Hmm... Vllt. halte ich es aber auch doch erstmal ganz klein und ändere den vorderen Abnäher, die Hüftkurve und die Schrittkurve und gucke vorher nochmal, bevor ich groß anfange vorn aufzuschieben. Vllt. reicht ja dann auch doch eine kleinere Anpassung.

    Kompliziert, kompliziert...

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