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Die blaue Mauritius

  • Jeder Sammler hat ja so seine geheimen Wünsche, was das spezielle Highlight seiner Sammlung sein könnte. Der Briefmarkensammler hofft auf eine blaue Mauritius, der Motorradfan vielleicht auf eine Original Opel und der Nähmaschinensammler auf eine Wheeler&Wilson oder Pfaff 1. Neben einer unendlichen Geduld ist es dann oft der Zufall, der einen einen kleinen Schritt zum Sammlertraum näher kommen lässt.


    Meine "blaue Mauritius" konnte ich gestern in Löbau im Dreiländereck, ca. 25 km hinter Bautzen und jeweils 25km von der tschechischen und polnischen Grenze entfernt abholen. Vor ca. 14 Tagen zufällig bei Ebay gesehen, wo sie nur wenige Minuten vorher eingestellt worden war, und mit Sofortkaufoption. Ich glaube, der Verkäufer hat nicht erwartet, das die Maschine so schnell weggeht.


    Meine blaue Mauritius ist eine Gutmann Perfecta, ca 1895 gebaut und um 1899 dann in einer Schneiderei in Löbau gelandet, wo sie bis gestern stand. Von 1899 bis gestern in Familienbesitz, Papi hat mit ihr bis zu seinem Tode vor 12 Jahren noch täglich genäht. Soweit die Geschichte.


    Aber was ist an einer alten Nähmaschine so interessant, das ich über 500km fahre und sie persönlich abhole? Das Interessante ist zum einen das die Perfecta eine Knopfloch-Nähmaschine ist, die mit Trettgestell "motorisiert" etwa 1500-2000 Knopflöcher in 10 Stunden anfertigen konnte, also komplett nähen in verschiedenen Längen und Breiten und aufschneiden. Vor ca. 40 Jahren wurde sie dann noch auf elektrisch umgerüstet.


    Der andere spannendere Teil, es gibt von dieser Nähmaschine offensichtlich keine Fotos, es existieren von einem Vorgängermodell einige technische Skizzen und von dieser Perfecta existiert eine Strichzeichnung aus dem Meyerschen Enzyklopädie Werk von 1907. Diese Skizze findet man dann in den einschlägigen Reparaturbüchern, Wikipedia und einigen Sammlerforen. Das war es dann!


    Also Vorhang hoch für die Gutmann Perfecta, erstmalig als Fotosammlung hier im Hobbyschneiderforum: :applaus::tanzen::dance:


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    m@rtin
    Erbsus Mechanicus Martinui


    Und täglich frisch: Kluger Leute schlaue Sprüche!


    Das perfekte Alter liegt irgendwo zwischen
    ›junger Ignorant‹ und ›alter Besserwisser‹.

    Einmal editiert, zuletzt von Foucault ()

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  • Schön!


    Ich bin mir sicher, Du badest sie jetzt erst mal. Dann wird sie auf Hochglanz poliert und kontrolliert und dann schaust Du, ob die abgeblätterte Goldschrift rekonstruierbar ist ;)


    Und dann....? Nähst Du mit ihr? Oder wird sie ein funktionstüchtiges Ausstellungsstück, was nur hier und da mal zu Demozwecken läuft?


    LG
    neko

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  • Ich weis es ehrlich gesagt noch nicht, sie näht ja immer noch brav ihre Knopflöcher. Und sie wird wohl auch eine Teilreinigung bekommen, soweit möglich werde ich auch noch an der Stichqualität arbeiten.
    Aber insgesamt bin ich zögerlich, einer fast 120 jährigen Dame noch die Falten zu liften, ein wenig Feuchtigkeitscreme, ein bißchen Zusprache, aber ich mag ihre Patina, die von 2 Weltkriegen erzählen kann,
    Kaiserreich, Weimarer Republik, das 3. Reich, die DDR, die BRD und letztlich sogar das vereinte Europa erleben durfte. Und jetzt abends, wenn niemand mehr da ist mit ihren Geschwistern von den heißen 20er Jahren schwärmt. :o

    m@rtin
    Erbsus Mechanicus Martinui


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  • Alle Achtung! Schweres Mädchen. Bin hiermit offiziell beeindruckt :eek:

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  • aber ich mag ihre Patina, die von 2 Weltkriegen erzählen kann,
    Kaiserreich, Weimarer Republik, das 3. Reich, die DDR, die BRD und letztlich sogar das vereinte Europa erleben durfte.


    Tja, dann solltest Du da keine Putzfrau mit Staubwedel in den Wintergarten lassen ;) Sonst könnte der Staub der Zeit einfach verschwinden... ;)


    Viel spaß mit der Dame. Fotographier sie nur, so schön wird sie nie wieder (Stand mal so am Ende einer Kontruktionsanleitung für einen Modellheli: "Fotographieren sie ihn jetzt, so schön wird er nie wieder.")


    LG
    neko

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  • Wow, ich bin total beeindruckt! Alleine die Geschichte, die diese Maschine mit sich herumträgt! Und diese Konstruktion! Werde ich gleich meinem Mann zeigen, wenn er nach Hause kommt! Und meiner Tochter!

    Liebe Grüße von
    Birgitt


    :nerd:

  • Wow.Tolles Teil, bin gespannt, wie du weiter vorgehst.
    Und lass uns bitte teilhaben!!

    Liebe Grüße
    Löwenmama



    Für Rechtschreibfehler ist meine Zwergin verantwortlich, die während des Schreibens immer auf mir rumturnt. Falls sie grade schläft, übernehmen ihre Geschwister die Verantwortung.


    Stolze Mama von der großen Prinzessin ( 10/07), dem Superhelden (01/09) und der kleinen Püppi (06/12).

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  • Herzlichen Glückwunsch zu Deinem Glücksgriff.
    Man merkt in Deinem Bericht, wie begeistert Du bist.
    Wußte eigentlich der Verkäufer, was für ein Schätzchen er da anbietet?


    Ich glaube schon, aber wie gesagt das war die Maschine von Papi und so wirklich interessiert hat Junior die Technik nicht, er konnte sie bedienen und das hat ihm auch gereicht.


    Für mich übt diese Technik irgendwie den Charme zwischen alter Dampflokomotive und Doppeldecker aus. Die Technik ist robust aber trotzdem feinmechanisch ausgetüftelt,
    der besondere Charme ist das Nähen an sich. Man hat das Gefühl ein Flugzeug zu starten, erst Motor anwerfen, dann richtige Drehzahl erreichen und den Gang reinwerfen.
    Ab da übernimmt die Automatik, näht erst den vorderen Riegel, dann die eine Raupe, den hinteren Riegel, die zweite Raupe und verstetet den Stich. Mit einem lauten Klacken wirft dann die Automatik wieder den Gang raus.
    Und fertig für das nächste Knopfloch.


    Ich werde am Wochenende mal ein Filmchen machen. Mal sehen wie sie bis dahin aussieht, ihr wisst Faltencreme und so weiter.:D

    m@rtin
    Erbsus Mechanicus Martinui


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  • Dieser Thread ist vielleicht nicht ganz aktuell, aber trotzdem meinen Glückwunsch zu dieser Maschine. Ich kann dich verstehen... würde auch nur die Technik evtl. überholen, denn... es ist die "Persönliche Patina" deiner blauen Maritius. Jede Macke und Kratzer hat seine eigene Geschichte, auch wenn man nie Erfahren wird wie und warum er entstanden ist. Aber gerade das macht es Interessant.


    Gruß Jörg

  • Ich hab den Thread erst jetzt entdeckt. Das ist ja eine tolle Maschine! Ich kann dich voll verstehen: mit diesem alten Schätzchen zu nähen ist einfach... *hach* ich hab ja auch noch eine geerbte Tretmaschine hier zu stehen. Es ist faszinierend, dass das alles rein mechanisch läuft - man kann genau sehen, wie die Maschine arbeitet! Und an der ganzen Maschine NICHT EIN GRAMM PLASTE! :eek: :applaus:


    Wie schaut sie denn mittlerweile aus, die alte Dame?
    Und ist das hier ein Obertransport?


    Teil 2:


    DSCN4093.JPG

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  • Nähmaschinen- und Fahrrad-Zeitung. Interessante Kombination. Aber Husquarna baut ja auch Motorräder...


    Das war früher eine absolut gängige Kombination. Die meisten Fahrradhändler hatten auch Nähmaschinen und viele Nähmaschinenhersteller haben auch Fahrräder und zum Teil auch Motorräder gebaut.


    Ein Beispiel: Die Lager der Schwungräder der Tretgestelle verwenden z.B. Teile, die so oder so ähnlich auch in Fahrradnaben zu finden sind.


    Gruß
    Detlef

    Gruß
    Detlef


    Die Pfaff meiner Mutter hat damals zwei Monatsgehälter gekostet und näht nach über 60 Jahren immer noch. Dann müsste eine Nähmaschine, die nur einen Tageslohn kostet, umgerechnet ein Jahr halten - tatsächlich, die meisten Maschinen dieser Preisklasse schaffen das sogar.

    Einmal editiert, zuletzt von kledet () aus folgendem Grund: +w

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  • Nähmaschinen sind wie Raubtiere; man kann sie nicht bezwingen, aber wenn man sie geduldig beobachtet kann man mit ihnen auskommen.

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