Bei der Abstimmung habe ich den letzten Punkt "kann ich nicht festlegen - hat viele Gründe" angeklickt.
Meine Oma väterlicherseits war selbstständige Schneiderin. Von ihrem Erwerb konnte sie ihre beiden Jungs in den Kriegs- und Nachkriegsjahren gut durchbringen. Neben der Arbeit Nähen hat meine Oma als Hobby wunderbar gestrickt. Ein Großteil der Kinderkleidung für meinen Bruder und mich stammt aus Omas Werkstatt. Jedes Mal, wenn wir sie besucht haben, wurden wir vermessen. Als Kind/Jugendliche hat mich das genervt. Ich wußte weder ihre Fachkenntnis, ihren Einfallsreichtum, ihr Engagement, noch die Hochwertigkeit ihrer Arbeit zu schätzen.
Ich liebte nur ihre Pakete, die uns regelmäßig erreichten, denn da waren tolle Kleider für uns alle drin. Die Sachen haben wunderbar gepaßt, nie gekratzt, waren anders und einfach toll. Mein Bruder hatte als Fünfjähriger mal eine Cord-Kapuzen-Jacke bekommen, die von Oma viermal überarbeitet und vergrößert wurde, weil er die Jacke um keinen Preis der Welt hergeben wollte. Ich fand den Stil und die Farben der 70er schon als Kind schrecklich. Ich wollte keine kurzen Röcke in bunten Kreischfarben. Ich bekam überknielange Röcke und hüftlange, gerade Jacken und ich habe sie geliebt diese Teile. Ein türkis-weiß-karierter Faltenrock blieb mir besonders in Erinnerung. Ich hab' ihn jahrelang getragen bis er nicht mehr paßte und ich war sauer, daß ich so groß geworden war.
Ich weiß nicht, ob es daran lag, daß sie so weit weg wohnte oder daran, daß ich damals noch kein wirkliches Interesse hatte, denn ich habe nähtechnisch leider gar nichts von ihr gelernt. Doch solche Erkenntnisse kommen meist viel, viel zu spät.
Mein Omi mütterlicherseits hatte ein Tretomobil, auf dem ich als Kind nähen durfte. Omi hat, meiner Erinnerung nach, nur Ausbesserungs- und Änderungsarbeiten für den privaten Bedarf gemacht. Sie nähte sehr gerne, doch richtig gekonnt hat sie es nicht, erzählte mir meine Mama. Allerdings ist mir das Erlebnis mit dem Tellerrock stark in Erinnerung geblieben. Handarbeitsunterricht in der 5. oder 6. Klasse - Schürze oder Rock. Ich entschied mich für Tellerrock. Zusammen mit Omi bemühte ich mich ein brauchbares Ergebnis abzuliefern, doch es war eine Katastrophe. Dann kam Omi auf die Idee, den Rock nochmals (aus Bettwäsche) zuzuschneiden und zur fachmännischen Endverarbeitung zu Oma zu schicken. Oma hat den Rock "veredelt" und zu Omi zurückgeschickt. Das war meine einzige "1", die ich jemals in Handarbeit bekam und die Nachfrage der Lehrerin beantwortete ich wahrheitsgemäß: "Ja, meine beiden Großmütter haben geholfen."
Meine Mutti ist gelernte Hauswirtschafterin. Sie nutzte die Nähmaschine für Ausbesserungs- und Änderungsarbeiten, doch mit Geduld und "Liebe" war sie nicht bei der Sache. Sie hat das Nähen genervt und hatte weder Geduld, noch Zeit es mir näherzubringen. Ich kann mich erinnern, daß mein Papa öfters an der Nähmaschine saß als meine Mama. Er hat sich die Grundfertigkeiten von seiner Mutter beibringen lassen.
Also Wissen war schon da, nur die Vermittlung hat gefehlt. Erst als ich meine erste eigene Wohnung bezog, kam bei mir das Interesse für Handarbeit auf. Ich hab' viel gestrickt. Nähen hat mich interessiert, doch die Wohnung war winzig und Geld für eine Maschine nicht vorhanden. Beneidet habe ich eine Kollegin, die sich die tollen Sachen der 80/90-Jahre einfach selbst nähte. Ich wollte auch tolle Sachen mit eigenem Stil haben. Bei den VHS-Kurse war eine eigene Maschine Voraussetzung und ie Einsteigskurse waren ausgebucht oder lagen mitten in meiner Arbeitszeit. Ich konzentrierte mich auf Familie, Beruf und andere Hobbys, so daß das Nähen für mich lange Zeit nicht mehr aktuell war.
Erst im Sommer 2012 zog meine erste Nähmaschine bei mir ein. Zufall - ich hab sie von lieben Freunden aus einem Nachlaß geschenkt bekommen. Als erstes hab' ich einen Einführungskurs Nähmaschine besucht und dann einen Grundlagennähkurs. Alles weitere erarbeite ich mir Stückchen für Stückchen an Hand von Büchern und Ausprobieren. Das Forum ist eine unerschöpfliche Fundgrube und das Nähtreffen Franken ein toller Informationsaustausch. Nähen ist für mich ein reines Winterhobby. Meine Kenntnisse noch gering - bisher hab' ich Kleider gekürzt, verlängert, Hosenbeine gekürzt und enger genäht. Taschen für diverse Zwecke entworfen und umgesetzt (mit teils ziemlichen Umwegen), Korbinlays für Einkaufskörbe gemacht und Sitzbezüge fabriziert.
Seit rund einem halben Jahr werkele ich an einem Proberock, der hoffentlich in 2014 mal im Originalstoff unter die Nadel kommt. Tja, in die Fußstapfen meiner Oma kann ich noch lange nicht treten, doch ich halte mich an das Motto meiner Omi "In der Ruhe liegt die Kraft".