Dazu mal ein kurzer Ausflug ins Arbeits- und Sozialrecht:
Zum einen gibt es den sozialrechtlichen Begriff "Beschäftigungsverhältnis", vereinfacht dargestellt eine abhängige Beschäftigung nach Weisung. Das ist grundsätzlich gesehen versicherungspflichtig. (Den öffentlichen Dienst lasse ich absichtlich außen vor.)
Zum zweiten gibt es den Begriff des Arbeitsverhältnisses, der vereinfacht ausgedrückt eine unselbständige Tätigkeit in Sinne des Rechts ist. (Den öffentlichen Dienst lasse ich absichtlich außen vor.)
Dann gibt es Selbstständige, die entweder in Bereich des Handwerks (in der Handswerkkammer gelistete Berufe) oder in Industrie- und Handel (gelistete Berufe der IHK) oder in sog. freien Berufen (Freiberufler nach gelisteten Berufen) tätig sind. (Die anderen Sonderfälle lasse ich bewußt weg.)
So weit - so gut. Doch nun wird's kompliziert.
Eine selbstständige Handwerkerin, z.B. Schneiderin, erstellt nach Auftrag ein Gewerke (z.B. Kleid) mit dafür eingekauften Material in ihren eigenen Räumlichkeiten mit Nutzung ihrer eigenen Werkzeuge und Maschinen. Hierfür wird ein Werksvertrag (umgangssprachlich Fertigungsvertrag) geschlossen. Ein Anspruch auf Vergütung des Gewerkes besteht nur, wenn der Gewerkeempfänger dieses als mangelfrei abnimmt. Die Haftung (allgemein) liegt beim Gewerkeersteller. (Stellt die Kundin Material und Schnittbogen, könnte man schon wieder darüber nachdenken, ob sie sich im Bereich der Lohnfertigung bewegt - berücksichtigen wir hier nicht.)
Es entsteht kein Arbeitsverhältnis, u.U. allerdings ein Beschäftigungsverhältnis, nämlich dann, wenn die Handwerkerin ausschließlich für einen Kunden über einen längeren Zeitraum arbeitet. Findet oft in der IT-Branche oder in Beratungsberufen im Rahmen von Projekt- bzw. sog. Dienstleistungs- oder Rahmenverträgen Anwendung, in dem, neben anderen Vereinbarungen, die Sozialversicherungspflicht des Auftraggebers (die er ganz grundsätzlich mal hätte) ausgeschlossen wird, da der Vertrag mit einem Selbstständigen Gewerbetreibenden oder Freiberufler geschlossen wird.
Eine Mitarbeiterin in einem Betrieb, die normal (Teil- oder Vollzeit) arbeitet hat sowohl ein Beschäftigungs- als auch ein Arbeitsverhältnis, denn sie unterliegt der Sozialversicherungspflicht und dem Arbeitsrecht. Sie führt alle Tätigkeiten nach dem Direktionsrecht ihres Arbeitgebers, der Firma bzw. nach der Weisungsbefugnis der Vorgesetzten aus.
Sie arbeitet in dessen Räumlichkeiten mit dessen Maschinen und Material. Das ist jedem aus eigener Praxis bekannt. (Es ist ein Irrglaube, daß ein Mini-Job nicht nicht versicherungspflichtig ist. Der Arbeitgeber hat für den gewerblichen Mini-Jobber immer Sozialversicherungsbeiträge abzuführen. Es besteht lediglich die Wahlmöglichkeit für den Beschäftigten bei Mini-Job-Zentrale (Knappschaft-Bahn-See) einen Betrag von erzielten Entgelt in die Rentenversicherung einzuzahlen. - Das nur am Rande.)
So und nun zum konstruhierten Fall:
Eine ausgebildete Ärztin (Freiberufler), die derzeit nicht tätig ist (Hausfrau), kein Gewerbe angemeldet hat und keinerlei Bezüge aus den Staatskassen bezieht, näht als versierte Hobbynäherin (Privatperson, Herstellung) für eine Firma (Auftraggeber) binnen einen festgesetzten Zeitraums (Direktionsrecht) nach einem gestellten Schnitt (zur Verfügung gestelltes Material, Arbeitsanweisung) drei Modelle (Gewerke, Auftragsarbeit) mit eigenem Material (Einkauf) ohne jegliche Vergütung daheim (Heimarbeit) zur Probe. Danach gibt sie ihre "Bewertung" (Beratung) über Schnitt und Beschreibung ab.
... und schwups befindet sich die Probnäherin in einem diffusen Vertragsdschungel, zwischen angeordneter Arbeit, Beschäftigungsverhältnis und selbstständigem Gewerke, sowie ggfs. in der Sozialversicherungspflicht. (Auch Übungsleiter im Sportverein ohne Aufwandsentschädigung sind über den jeweiligen Landessportverband versichert.)
Bekommt sie nun das Schnittmuster geschenkt, könnte dies als freiwillig soziale Leistung des Arbeitgebers verbucht werden, wenn sie denn ein Arbeitsverhältnis hätte oder als geldwerter Vorteil, wenn da ein Beschäftigungsverhältnis bestünde, was sie eigentlich nicht hat, das aus den Bedingungen allerdings abzuleiten wäre.
Auch Heimarbeit unter besonderen Bedingungen könnte in Betracht gezogen werden. (weit hergeholt, ich weiß). Um nun die vollendete Verwirrung zu erwirken, könnte überlegt werden, inwieweit diese Probenähtätigkeit unter "freie Mitarbeiterin" (Freelancer) einzuordnen sein könnte.
Dies ist alles absichtlich sehr vereinfacht und sehr plakativ ausgedrückt, weil ich aufzeigen wollte, welche Hürden für die Firmen hinter solchen "Probetätigkeiten" stecken. (Seit ca. 20 Jahren bin ich "Personalfuzzy" und hab' täglich mit solchen Dingen zu tun.)
Viel komplizierter wird's noch, wenn Bezüge aus der Staatskasse, eine Hauptbeschäftigung und/oder Nebenbeschäftiung oder kurzfristige Beschäftigung, sowie Arbeitsunfähigkeit (Krankheit) oder besondere Rentenformen (Teilerwerbsrente etc.) vorliegen, von den ordnungsgemäßen Meldungen bei den diveren Stellen und dem Schriftkram mal ganz abgesehen.
Da ist es schon nachvollziehbar, daß sowohl kleine Start-Up-Unternehmen als auch etablierte Firmen, den einfacheren Weg der "Freiwilligen Ehrentester" wählen.
Ob und wie weit, daß jemand tun möchte, für sich selbst als gut oder schlecht bewertet, liegt in der Entscheidung eines jeden selbst. Wichtig finde ich dabei nur, daß man für sich selbst etwas positives daraus mitnehmen kann, in Form von Freude, neuen Erkenntnissen, Wissen oder einfach nur Erfahrungen.