Wortlos über den Magen in den Darm

Dies ist ein Blogeintrag, der am 15.08.2013 erstmalig und exklusiv bei der Hobbyschneiderin veröffentlicht wurde. Merkbefreit mit Attest ist eine etwas andere Autorenplattform.


Prämabel: Ich habe lange überlegt, ob ich das hier schreibe. Letztlich bin ich zu dem Entschluss gekommen, den Text zu veröffentlichen. Nicht, um anderen Angst zu machen, sondern einfach mal die Fakten auf den Tisch zu packen und/oder Augen zu öffnen. Es ist natürlich alles erstunken und erlogen und sollte sich die Ärztin hier wiedererkennen: Na und? Und sorry, es ist etwas länger und ich könnte noch doppelt so viel erzählen.


Eine Freundin (nennen wir sie mal Kerstin) bat mich, sie zu einer Magenspiegelung zu begleiten. Bei der Terminvergabe wurde ihr gesagt, sie möge bitte eine Begleitperson mitbringen. Die Arschkarte steckte sie mir dann auch flott in die Tasche.


Der Termin war um 8 Uhr morgens. 30 Kilometer Fahrt, sie war ein pures Nervenbündel. Voller Angst vor den Dingen, die sie dort erwarteten. Wir waren 7.45 Uhr dort. Die Arzthelferin am Empfang gab ihr einen Aufklärungsbogen. Vor lauter Langeweile las ich mir den auch durch: Blabla… 12 Stunden vorher nichts essen, 9 Stunden nichts trinken. Einmal kurz schlucken, dann gibts einen kurzen Würgereiz und alles ist gut. Wenn man davor Angst hat, gibt es auch gern eine Beruhigungsspritze. Unterschrift, fertig, abgegeben. Sie fragte nach, ob es möglich wäre, dass ich bei der Spiegelung „Händchen“ halten darf, kein Problem. Es war 7.50 Uhr. Ich stellte fest, dass es praktischer wäre, den Aufklärungsbogen schon mal vorher in den Händen gehabt zu haben. Aber gut, ist eben so.


Das Wartezimmer überschaubar gefüllt, alles ok. Mit jeder Minute stieg der psychische Druck auf meine Freundin. Sie wurde immer nervöser. Um 9 Uhr fragte ich die Dame am Empfang, wie lang die Wartezeit noch sein würde. „In einer halben Stunde sind sie hier raus…“ Ok, klang gut.


Nichts passierte.


Es war 9.30 Uhr. In dem Augenblick in dem ich meinte, dass ich eventuell noch gern etwas arbeiten würde und fragte ob sie sich nicht einen neuen Termin holen möchte, wurde sie – ähm wir – aufgerufen. Ich war gespannt. Im Behandlungsraum eine kurzes „Hallo“ der Ärztin, kein Wort zu der 90-minütigen Wartezeit. „Nehmen Sie blutverdünnende Medikamente?“ – „Nein.“ – „Gab es in Ihrer Familie chronische Magenbeschwerden?“ – „Nein.“. – „Ok, Sie sind hier, weil sie eine Gastroskopie erhalten…“ Blablabla – belangsloses 10-Sekunden-Gefasel. Und los gings. Ich verzichte aus Platzgründen mal auf eine wörtliche Wiedergabe, ist eh unerheblich.


Kerstin setzte sich auf die Untersuchungsliege und sie musste einen kleinen Becher Kontrastmittel schlucken. Der war wohl nicht so lecker, sie verzog angewidert das Gesicht. Dann kam eine Arzthelferin und meinte, sie würde jetzt den Hals betäuben. Schnappte sich eine von drei auf einem Wagen herumstehenden gleichaussehenden Flaschen, und steckte Kerstin die Sprühkanüle in den Hals. Es folgten drei Sprühstöße, die sofort einen Würgereiz auslösten. Der Hals war sofort taub. „Können Sie noch schlucken?“ Probiert, bejaht. „Ok, Mund auf!“ Nochmal drei Sprühstöße. „Und? Können Sie immer noch schlucken?“ Kerstin schüttelt den Kopf. Ich fragte mich innerlich, wie sie denn wohl gleich den Schlauch „schlucken“ soll, wenn sie nich mal „normal“ schlucken kann. „Möchten Sie eine Beruhigungsspritze?“ fragt die Helferin. Kerstin nickt. Die 20ml-Spritze lag schon bereit. 15ml waren aufgezogen und Ratzfatz in der Armvene versenkt. Sofort beschwerte sich Kerstin über eine sehr starke Übelkeit. Die Ärztin forderte sie auf, sich hinzulegen, Kerstin ignorierte die Aufforderung.


Ich setze mich zu ihr auf die Liege und drückte sie vorsichtig zur Seite. Eine Arzthelferin nahm ihren Kopf und positionierte ihn für die Untersuchung. Eine Auszubildende wurde hinter Kerstin positioniert. Diese legte ihren Arm so um ihren Oberkörper, dass Kerstins Arme komplett blockiert waren. Die Ärztin setze sich vor den Bauch, somit war fast jede Bewegungsmöglichkeit komplett genommen. Vorher gab´s noch ´nen schicken Sauerstoffmonitor an den Mittelfinger.


Die Arzthelferin, die den Rachen betäubte und die Spritze gesetzt hat, schnappte sich das Gastroskop, tauchte selbiges kurz in einen 5-Liter-Plaste-Marmeladeneimer (sic!) mit einer komisch ausschauenden Flüssigkeit (nochmal sic!), tunkte die Spitze in ein Glas mit einer Art Gleitgel und reichte das Ding der Ärztin. Über den Durchmesser mache ich hier mal bewusst keine Angaben, ich habe ihn vermutlich subjektiv als extrem groß wahrgenommen. Auf jeden Fall lag er deutlich über einen Zentimeter. Ohne Worte drückte die Arzthelferin Kerstin eine Art Beissring in den Mund. Ebenfalls groß. Und ich staunte, dass kein Murren und kein Meckern kam.


Und los ging es. Ohne Kommentar steckte die Ärztin meiner Freundin das Gastroskop in den Hals, sofort setzte ein extremer Würgereiz ein. Es kam keine Aufforderung zum Schlucken, kein Wort der Beruhigung, nichts. Sie schob das Ding, dass alle 10cm eine schicke Markierung hat, ohne mit der Wimper zu zucken knapp 120 cm in Kerstin hinein. Kerstin würgte ununterbrochen, ihr liefen die Tränen. Ich starrte auf den Monitor und staunte.


Die Arzthelferin steckte mehrfach Drahtschlingen durch das Gastroskop, mit denen Gewebeproben entnommen wurden. Ununterbrochen begleitet vom Würgen. Ich wurde langsam fassungslos und begriff, dass Kerstin komplett weggeschossen wurde und auf nichts mehr reagierte.


Da waren schon knapp drei, vier Minuten vorbei und die Ärztin zog das Gastroskop kommentarlos heraus, streifte die Handschuhe ab und setze sich an den Schreibtisch.


Kerstin lag gekrümmt auf der Liege, das komplette Make-Up verlaufen, einen dicken Wulst von Papierhandtüchern vorm Gesicht. Sie reagierte auf nichts. Die Ärztin begann, von ihren Erfahrungen im Körper meiner Freundin zu berichten. Nach einer Minute Selbstgespräch ohne einen Blick auf ihre Patientin meinte sie dann zur Arzthelferin „Schafft sie nach nebenan!“. Das reichte mir.


Ich sagte der Schwester, dass niemand Frau Müllermeierschmidt anfasst und versuchte, ihr zerlaufenes Make-Up samt Tränen wegzuwischen. Mit Hilfe der Auszubildenden setzen wir Kerstin hin. Ich setze mich neben sie und versuchte mit ihr zu sprechen. Nach ca. 10 Minuten versuchte sie dann aufzustehen, die Arzthelferin und ich mussten sie stützen, damit sie überhaupt stehen konnte. Kerstin schleppte sich mit unserer Hilfe bis ins Wartezimmer und dort wurde sie überhaupt erst wieder klar im Kopf.


Sie erzählte mir, dass das letzte, was sie gesehen hat, die Spritze war und ihre letzte Erinnerung war ihre unglaubliche Übelkeit. Sie konnte immer noch nicht schlucken, der komplette Hals war taub. Sie klagte sofort über Schmerzen im Hals. An den Ablauf der Untersuchung und an das „Ergebnisselbstgespräch“ der Ärztin hat sie ebenfalls keine Erinnerung. Auch nicht daran, dass die Helferin und ich mit ihr minutenlang auf der Liege gesessen haben und versucht haben, uns mit ihr zu unterhalten.


Nach einiger Wartezeit fühlte sie sich fit genug, um die Praxis zu verlassen.


Auf der Rückfahrt erzählte ich ihr den Ablauf, sie war schockiert.


Meine Meinung zur Behandlung ist natürlich nur laienhaft. Ich kann mich irren, ich kann der Ärztin unrecht tun. Es ist aber nunmal meine Meinung. Punkt.


Allein die Wartezeit von anderthalb Stunden ist bei solchen Untersuchungen geeignet, die eh schon vorhandene Panik bis ins Unendliche zu schüren.


Der gröbste Faktor ist eigentlich für mich, dass die Ärztin keinen Blick auf die Patientin geworfen hat. Dann hätte sie eigentlich eine große Narbe im Dekolleté sehen und nach einer Herzerkrankung fragen müssen. Meine Freundin erzählte mir, dass sie aufgrund ihrer Herzerkrankung im Krankenhaus nicht einmal Schmerzmittel bekommt. Aber schön, wenn man Internist und Anästhesist in einer Person ist. Quasi Allroundtalent, ist auch selten heutzutage.


Nein, die Frage blieb komplett aus. Im Gegenteil, der Schluckreflex wurde komplett „weggesprüht“, Kerstin meinte, sie konnte nach drei Sprühstößen in den Hals noch schlucken, hat aber nichts mehr gespürt. Nach weiteren drei Sprühstößen ging gar nichts mehr. Ich frage mich, warum im Aufklärungsbogen „kurz schlucken und alles ist gut“ steht, wenn genau selbiges nach der Art der Betäubung gar nicht mehr möglich ist. Und: Kerstin wurde zu keiner Zeit von der Ärztin zu irgendwelchen Handlungen geschweige denn zum Schlucken aufgefordert.


Dann bin ich nach Gesprächen mit befreundeten Ärzten und Arzthelferinnen der Meinung, dass das Beruhigungsmittel (sofern es überhaupt eines war) ebenso wie das Betäubungsspray absichtlich überdosiert wurde, damit die Ärztin in Ruhe arbeiten kann. Ich selbst habe auch schon Beruhigungsspritzen bekommen, kann mich jedoch an jedes Detail nach der Spritze erinnern und weiß auch, dass die injizierte Menge extrem weniger war, als das, was Kerstin erhalten hat.


Spätestens, als der Würgereiz nicht aufhörte, als das Gastroskop an der Endposition angekommen war, hätte ich erwartet, dass die Ärztin sich mal um den Allgemeinzustand ihrer Patientin kümmert. Der war nämlich gar nicht mehr vorhanden.

Dann frage ich mich, was Marmeladeneimer mit trüben Flüssigkeiten im Behandlungsraum zu suchen haben? Werden die etwa jeden Abend desinfiziert?


Die Sprühlanzen des Rachensprays wurden auch nicht ausgewechselt. Das Spray wurde genommen, die Kanüle in den Hals gesteckt, gedrückt und ohne die Lanze zu wechseln oder zu desinfizieren wieder auf den Tisch gestellt.


Der menschliche Umgang, die Art des Einführens des Gastroskops, die Ignoranz des Würgens, keine Worte für die Patientin, das sture Durchziehen der Behandlung sind einfach nur abartig und verabscheuenswert.


„Schaffen Sie sie nach nebenan!“ war der Satz, bei dem mir fast der Pelz geplatzt ist. Ich finde, dass Ärzte nicht im geringsten ihre Berufsethik vergessen sollten.


Am Unglaublichsten finde ich, dass Dritte (sowohl Bekannte von Kerstin als auch Ärzte aus meinem Freundeskreis) gemeint haben, das wäre fachlich eine der Besten ihrer Zunft.


Fachlich vielleicht. Wobei ich auch das anzweifel. Menschlich ist sie für mich nur komplett daneben und sollte lieber Hecken schneiden als als Arzt praktizieren.


Und ja, ich habe der Ärztin noch im Behandlungszimmer meine Meinung hinterlassen. Und mit wenigen Sätzen geschafft, dass sich eine mehrminütige Schimpfkanonade auf mich abfeuerte. Die Arzthelferin und die Auszubildende grinsten nur verlegen, an der Reaktion konnte ich allerdings erkennen, dass ich genau ins Schwarze getroffen habe.


Ekelhaft.


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