Vita Cola PUR – mit Schwächen überzeugen

Dies ist ein Blogeintrag, der am 14.06.2017 erstmalig bei MBMA veröffentlicht wurde. Merkbefreit mit Attest ist eine etwas andere Autorenplattform.


Foto: NADV.com



Anlassprolog in Kurzfassung: Es trug sich zu, dass Frau Sowieso Besuch empfing. Im Laufe des Abends wurden schöngeistige Mischgetränke konsumiert, die koffeinhaltige Limonaden als Füllstoff nutzen. Hier wurde fleissig Coca Cola eingeschenkt. Aus nicht näher erwähnenswerten Anlässen kam das Gespräch auf einen Cola-Oldie aus der ehemaligen DDR. Vita Cola. In meiner üblich charmanten Art sinnierte ich über dieses abwaschwasserähnliche Erfrischungsgetränk, das irgendwie gar nicht mehr so schmeckt wie früher. Sondern noch schlimmer als früher. Nach Spülmittel mit Zitronengeschmack. Zitronengeschmackaroma. Und Koffein. Und Wasser. Sprich: Ich trank die gemeine Vita Cola vor Jahren und sie fiel bei mir in Ungnade. Schublade „ungeniessbar“ und gut. Dies gefiel offenbar dem Besuch der Frau Sowieso überhaupt nicht, die irgendwie den ganzen Abend auf dem Vita-Roß ritt. Da ich weiterhin behauptete, dass jenes Roß eben doch schon seit Ewigkeiten tot ist, ergab es durchaus interessante Duelle.


Historischer Prolog (auch in Kurzfassung): Im Jahr 1958 in einer chemischen Fabrik der ehemals sowjetische besetzten Zone DDR erfunden um der bösen Coca Cola des damaligen Klassenfeindes Paroli bieten zu können. Die Landesbrauerei Leipzig (später VEB Sachsenbräu) seinerzeit ein Warenzeichen beim Amt für Erfindungs- und Patentwesen angemeldet. Zwei Jahre später produzierten bereits über einhundert Betriebe Vita Cola. 1994 übernahm die Thüringer Waldquell Mineralbrunnen GmbH die Marke. Brau & Brunnen verkaufte 2005 an Hassia (Hessen). 2007 kam die Sorte „Vita Cola Schwarz“ auf den Markt, die vier Jahre später PUR wurde, auch wenn sie weiterhin schwarz blieb.


Um es kurz zu machen: So muss Cola schmecken. Vita Cola Pur schmeckt. Und zwar gut. Der Preis pro Liter liegt unter der Konkurrenz aus dem Amiland, wir haben um die 70 Cent pro Liter bezahlt. Albern finde ich den Slogan „mit purem Cola-Kick“. Die Flasche tritt mangels Beinen nicht um sich und der Inhalt schon mal gar nicht. Die Doppelung von „pur“ bleibt auch unkommentiert. Der technogewollte Hintergrund des Etiketts (ich habe Gölfe gesehen, die hatten Fußmatten in so einer keimigen Optik) ist eher eine visuelle Grausamkeit. Die sich im Übrigen leider durch die gesamte Produktpalette zieht. Und das wäre noch etwas, was durchaus tolerierbar wäre. Ist halt Geschmackssache.


Überholt dagegen: Mit Ostalgie werben (online zum Beispiel hier, Bilder 4, 5, 6, 7) ist schön und gut, aber absolut überflüssig – um nicht zu sagen kontraproduktiv – ist eine Händlersuche West. Gibt man hier zum Beispiel 18439 (steht für Stralsund, Osten) ein kommt statt „Gratulation, das Zeug steht in jedem Supermarkt in Deiner Umgebung!“ allen Ernstes der nächste Vita-Cola-Händler in der Region Wolfsburg-Hannover. Fail.


Dazu kommt, dass die Zielgruppe, die noch auf dümmliches Ost-West-Gequatsche anspringt, mittlerweile auch doll jenseits der 40 ist. Diese Gruppe wiederum wird auf der eigentlichen Vita-Cola-Homepage gar nicht angesprochen. Hier dominiert künstlich gewollte Happiness der Generation „mir doch egal, Hauptsache ich hab Netz und Akku für Facebook und Whatsapp“. Slogans wie „Kein Rhytmus im Blut ist kein Grund, nicht zu tanzen. Seid tatendurstig!“ kombiniert mit Gesichtern vom Typ „später-Teenager-knapp-am-Hipster-Style-vorbei“ passen jetzt nicht wirklich zur Händlersuche West. Echt nicht.


Klasse finde ich den Bereich „Social #VITACOLA“, wo ausgewählte Instagram-Posts gezeigt werden. Schlimm dagegen: Der Instagramm-Channel vita_cola hat 757 Abonnenten. Auf Facebook wartet Vita-Cola mit immerhin über 72.000 Abonnenten auf. Und ja, da habe ich ihn dann endlich gefunden, den Hipster-Post. Am 1. Mai ein durchaus netter Spruch („VITA mal ein langes Wochenende“) und dann sind sie da, die Vollbärte, die noch nie eine Axt in der Hand hatten und die „Ich-bin-zu-allen-gerecht-habe-zu-allem-eine-Meinung-und-die-ist-immer-richtig“-Damen um die 20. Die wiederum sind vermutlich mit der zuvor erwähnten Ostalgie-Schiene überfordert, wissen oft gar nicht, dass es überhaupt mal eine innerdeutsche Grenze gab.


Differenz erkannt?


Denkt mal drüber nach, euren Fokus von einem Extrem („Ost Ost Ost“ – seid ihr gar nicht, sondern Hessen ) und dem anderen Extrem, der heranwachsenden Generation „Party“ auf die vielleicht echte Zielgruppe „Menschen mit Geschmack“ zu schwenken. Aber Altersheimbilder sind nicht so cool, gelle?


Damit könnten wir auch zum Epilog übergehen: Der anfangs erwähnte Besuch der Frau Sowieso hat es geschafft, dass Vita Cola Pur einen Stammplatz im Getränkelager unseres Haushalts bekommen hat. Das hättet ihr mit Facebook und Insta bei mir nicht geschafft. Ehrlich nicht!


Und wenn ihr jetzt noch diese räudigen Kunststoff-Mehrweg-Flaschen durch irgend ein anderes Behältnis ersetzen könnt, bei dem man ausschließen kann, dass irgendein Hipster das Ding verkehrtherum im Sand oder in irgendwelchen Körperöffnungen stecken hatte, dann probiere ich auch mal die anderen Produkte. Versprochen!



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